Kalt und allein

Der Winter und alles, was er mit sich bringt, ist durch zwei echt belastende Erfahrungen der letzten Jahre für mich zu einem überdimensionalen Trigger geworden. Das habe ich heute feststellen müssen, als ich aufgestanden bin und draussen die schneebedeckten Strassen sah. Schlagartig war ich innerlich zwei Jahre zurückversetzt. Ich fühlte förmlich, wie ich hysterisch weinend auf der Steintreppe in einem leeren Teil der Uni sitze und panisch versuche, mir die Realität nicht von paranoiden Gedanken entziehen zu lassen. Dieses Gefühl begleitet mich nun schon den ganzen Tag und ich hasse es! Wenn ich die Augen schliesse, dann sehe ich, wie ich die grauen, von Schnee-Matsch bedeckten Strassen entlang zum psychiatrischen Notfallzentrum des Spitals marschiere, um dort mit dem Psychiater zu sprechen, der mir nach zehn Minuten Gespräch eine mögliche Schizophrenie attestieren möchte. Mir läuft es kalt den Rücken runter und ich spüre in meinem Körper, wie ich schlaflos im Bett liege und mir von zwanghaft anmutenden Befürchtungen Stück für Stück die Lebensfreude nehmen lasse. Ich höre, wie meine Mutter am Telefon echte Besorgnis ausdrückt, als ich ihr von meiner Verzweiflung und den sich aufdrängenden Todesgedanken erzähle. Diese Erinnerungen sind das ganze Jahr über als abstrakte Gedanken in meinem Kopf und ich komme gut damit klar. Aber sobald ich mit Gegebenheiten konfrontiert werde, die ich zum Zeitpunkt der beiden Krisen wahrgenommen habe, verwandeln sich diese Erinnerungen in gefühlte Erfahrungen. Und das löst in mir eine verdammt gigantische Angst aus. Da ist der Schnee auf den grauen Strassen, die Dämmerung mit dem Geräusch von durch Schnee-Matsch fahrenden Reifen, die graue, leere Treppen in der Uni, das Geräusch des Wassers, das in die Badewanne fliesst, das Klirren der Schneeketten an den Busreifen, das Badezimmer der Familie meines Freundes, der grosse Platz vor dem Einkaufsladen. Jedesmal durchfährt mich ein kleiner Schock, wenn ich einen dieser Reize wahrnehme. Es ist beschissen. Und dass ich gestern meinen Therapeuten wohl vertrieben habe durch meine merkwürdige Art, macht es auch nicht besser. Im Gegenteil, ich fühle mich heute sehr allein und all den Gefühlen und Erinnerungen ausgeliefert.

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