Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Streit immer sehr laut ausgetragen wurde. Schreie, zerstörte Gegenstände, Drohungen, knallende Türen, Gewalt; das war alles keine Seltenheit. Und darin bin ich in all den Jahren Meisterin geworden. Jetzt habe ich zum ersten Mal Streit mit meinem Therapeuten. Aber die lauten, knallenden Momente bleiben aus. Stattdessen sitze ich kleinlaut und passiv-aggressiv im Sessel und versuche ihn mit meinem Blick des Zorns zu zerstören. Und was macht er? Er sitzt in seinem Sessel und hält meinen Wut-Wellen stand wie ein verfluchter Fels in der Brandung. Ich weiss, das ich nicht in dieser Therapie bleiben muss, wenn mir grundsätzliche Regelungen nicht gefallen. Aber persönlichkeitsgestörte Menschen haben es halt oft so an sich, dass sie überraschend gerne in Therapiebeziehungen bleiben. Trotz ihrer Wut. Denn mit dem Therapeuten haben sie meistens zum ersten Mal ein Gegenüber, das dieser Wut standhalten kann und nicht nachgibt. Und so unangenehm das auch sein mag, gehört es doch zu den Mechanismen, die einen – vielleicht zum ersten Mal – wirklich weiter bringen. Also denke ich, dass ich wohl oder übel bleibe und den stillen Streit weiterziehe, so lange, bis sich dieses wütende Kleinkind in mir beruhigt hat. (Oder er seine f***ing Regelungen anpasst…)