Wenn unbewusste Konflikte in der therapeutischen Beziehung „umgesetzt“ werden, z.B. in Form von realem Verhalten, dann heisst das Agieren. Zum Beispiel könnte ein Patient die Therapie abbrechen, weil er seine Wut auf einen Arbeitskollegen auf die Therapeutin überträgt und sich dann so „rächt“. Aber es geht auch umgekehrt. Wenn bei der Therapeutin eine Gegenübertragung entsteht, kann es auch auf ihrer Seite zum Agieren kommen. Zum Beispiel könnte die Therapeutin durch verbale Wutausdrücke des Patienten (die eigentlich nicht gegen die Therapeutin direkt gerichtet wären) die Therapie selbst beenden. Niemand ist 100% dagegen gewappnet, also kann es schonmal vorkommen, dass agiert wird in der Therapiebeziehung. Und es ist mir diese Woche passiert: Bei einem sehr wichtigen Arbeitgebergespräch wurde der Patient dermassen von Anspannung überflutet, dass die Spannung im ganzen Raum zu spüren war. Er hatte grosse Angst und konnte kaum sitzen bleiben. Während einer kleinen Pause gingen ein paar Leute aus dem Raum, so dass noch ich, der Patient und der Pfleger im Raum waren. Ich stand auf und lief zum Fenster, um zu lüften und beim Vorbeigehen legte ich die Hand auf die Schulter meines Patienten und drückte diese ermutigend. Erst als ich beim Fenster angekommen war, wurde mir bewusst, dass das wohl komplett unprofessionell war und eigentlich auch gar nicht zu meiner Rolle als Therapeutin passte. Es passte nämlich zu einer Mutter, die das ängstliche, vor einer schwierigen Aufgabe stehende Kind sicherheitsstiftend zum Probieren animieren möchte. Und der Patient ist mit ziemlicher Sicherheit nicht mein Kind. Und ich bin verdammt nochmal nicht seine Mutter…
Hoppla…?