Ich bin ein kleines bisschen frustriert. Denn Dr. Freud verweigert mir seit Kurzem mein altbewährtes Notfallmedikament. Welches er mir zu Beginn der Therapie sogar regelrecht schmackhaft machen musste. Damit ich lernen konnte, es flexibel einzusetzen. Bei Krisen, versteht sich. Ein Teil von mir hat sich lange dagegen gewehrt und musste dann schliesslich zwingendermassen einsehen, dass es echt hilfreich ist, ein Mittel zur Hand zu haben. Again, bei Krisen, versteht sich. Also freundete ich mich damit an, setzte es gezielt ein, legte immer wieder Phasen ein, in denen ich es auch ohne Medikament versuchte. Und das lief gut.
Und jetzt?
Jetzt sitze ich immer wieder vor ihm, frage ihn immer wieder schüchtern, ob ich wohl ein neues Rezept haben könnte und muss mir immer wieder anhören: „Wozu brauchen Sie denn das Medikament?“

Na wozu wohl?
Anmerkung: Der nachfolgende Abschnitt kann Spuren von Ironie enthalten.
Damit ich meine Sinne betäuben kann natürlich! Damit ich mein Dasein in den elenden Momenten nicht ertragen muss. Damit ich mich wegschiessen kann. Damit ich meine Zeit spassig und angstlos verbringen kann. Ein bisschen Benzo-Würze kann also nicht schaden in meinem öden Leben.
Oder was meinen Sie denn?
Sie haben mir doch verflucht noch einmal dazu geraten, damit arbeiten zu lernen. Und jetzt sägen Sie mir meinen Notfall-Ast ab. Was soll ich denn jetzt? Betteln? Dann wirke ich so, als hätte ich ein Abhängigkeitsproblem und so wird’s sowieso nichts. So tun, als ob ich klarkäme ohne? Dann laufe ich Gefahr, mich automatisch meiner weniger funktionalen Hilfsmittel zu bedienen, da ich leider sonst überfordert bin. Weiterhin jede Sitzung schüchtern fragen, ob ich wohl ein neues Rezept erhalten könnte? Dann sinkt meine Selbstachtung von Woche zu Woche weiter, so lange bis ich dann überhaupt nichts mehr sagen möchte. Und es einfach zu ertragen, ertrage ich schlicht nicht.
Also bitte, lieber Dr. Freud, tell me what you want…
Und ja, ich weiss, dass es auch bessere Strategien gibt mit solchen Mini-Krisen umzugehen. Skills. Ablenkung. Aushalten. Akzeptanz. Soziale Kontakte. Das mache ich auch, wenn es mir die Anspannung erlaubt. Da sich diese aber meistens nicht in einer milden bis mässigen Intensität äussert, bin ich in solchen Situationen schlicht überfordert. Dann nützen mir alle Chillis der Welt nichts mehr. Dann wird aus einem Ablenkungs-Einkaufs-Spaziergang ein Binge-Shopping-Trip des Grauens.
So, das musste mal kurz raus. Jetzt geht es mir besser. Sehen Sie? Skills-Anwendung par excellence…